Kreiskys Plan 1962: eine Art PR-Institut für internationale Zusammenarbeit

Interview mit Historikerin Lucile Dreidemy, geführt von Franz Schmidjell (VIDC Global Dialogue)

VIDC Online Magazine Spotlight

Dieser Artikel wurde im VIDC Online Magazin Spotlight September 2022 veröffentlicht. Wenn Sie den vierteljährlich erscheinenden Spotlight, Einladungen und Dokumentationen erhalten möchten, klicken Sie bitte hier.

Interviewpartnerinnen*


Lucile Dreidemy, Germanistin und Historikerin, ist seit 2014 Associate Professor an der Universität Toulouse und wissenschaftliche Mitarbeiterin* am Institut für Zeitgeschichte der Universität Wien. Zuvor hat sie in Chicago und Harvard gelehrt und geforscht. Sie ist Mitglied des Beirats für die Rehabilitierung der Opfer der österreichischen Diktatur 1933-1938 und der Kommission für die Umgestaltung des Dollfuß-Museums sowie Redaktionsmitglied der Zeitschrift „Zeitgeschichte“ und Ko-Initiatorin der Forscher*innengruppe „New Cold War Studies“.

Franz Schmidjell ist stellvertretender Geschäftsführer des VIDC und betreut den Bereich Afrikapolitik. Seine Arbeitsschwerpunkte sind EU-Afrika Beziehungen, soziale Bewegungen in Afrika und Diaspora Engagement. Er war Initiator der VIDC Kunst- und Kultureinrichtung kulturen in bewegung und Organisator von Informations- und Kulturfestivals. Studiert hat er Handelswissenschaften an der Wirtschaftsuniversität Wien.

Lucile Dreidemy, © Karo Pernegger

Lucile Dreidemy, © Karo Pernegger

Schmidjell: Das VIDC feierte am 14. September „60 Jahre Dialog und Kooperation“. Im Jahre 1962 fand die Gründungskonferenz statt. In deinem Habilitationsprojekt geht es um das Phänomen der „NGOisierung“ der internationalen Politik ab den frühen 1960er Jahren. Neben bundesdeutschen Akteur*innen widmest du dich in dieser Forschungsarbeit dem VIDC. Warum hast du das VIDC dafür gewählt? 

Dreidemy: Unter „NGOisierung“ wird die Tendenz von Regierungen in den 60er Jahren verstanden, verstärkt mit NGOs zu kooperieren bzw. diese selbst zu kreieren. Man nennt diese Organisationen auch QuaNGOs, d.h. Quasi-Nicht-Regierungs-Organisationen. Sie verfügen über einen privatrechtlichen Status, wurden aber oft von Außenministerien gegründet bzw. sind meistens von diesen abhängig. Man merkt den Boom von halbstaatlichen NGOs beispielsweise in der BRD mit der Etablierung der politischen Stiftungen als neue Akteure der Entwicklungs- und Außenpolitik. Zu den internationalen Tätigkeiten der SPD-nahen Friedrich-Ebert-Stiftung gibt es zum Beispiel schon viel Forschung. Hingegen gibt es zur Geschichte des VIDC im Kontext der 1960er und 70er Jahre kaum wissenschaftliche Arbeiten und Quellen. Daher habe ich dieses Fallspiel für mein Habilitationsprojekt gewählt.

Schmidjell: Der Grundstein für das VIDC wurde 1962 bei der Salzburger Konferenz gelegt. Welche Motive führten zur Gründung des VIDC und welche Rolle spielte der damalige Außenminister Bruno Kreisky dabei?