Europas Grüner Deal: Vorzeigeprojekt oder Klimaschutz auf Kosten des Globalen Südens?

Von Martina Neuwirth (VIDC Global Dialogue)

VIDC Online Magazin Spotlight

Dieser Artikel wurde im VIDC Online Magazin Spotlight Juli 2021 veröffentlicht. Wenn Sie das vierteljährlich erscheinende Online-Magazin, Einladungen und Dokumentationen erhalten möchten, klicken Sie bitte hier.

Autorin


Martina Neuwirth betreut bei VIDC Global Dialogue internationale Wirtschafts- und Finanzthemen. Dem Thema Umweltsteuern hat sie sich vor allem über ihre Arbeitsschwerpunkte Steuern und Entwicklung bzw. internationale Steuergerechtigkeit angenähert.

© Shutterstock/neenawat khenyothaa

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Die nächsten zehn Jahre sind entscheidend, so der Weltklimarat in einem 2018 veröffentlichten Weckruf, um die Treibhausgas-Emissionen so drastisch zu reduzieren, dass die globale Erwärmung nicht mehr als 1,5 Grad, gemessen am vorindustriellen Niveau, erreicht. Dafür „bedarf es schneller, weitreichender und bisher beispielloser Veränderungen in allen gesellschaftlichen Lebensbereichen,“ so der Weltklimarat. 
Angesichts solcher Herausforderungen sind die Klimaziele, die sich die EU gesteckt hat, ambitioniert, aber auch notwendig. Die Treibhausgasemissionen sollen demnach bis 2030 um 55% gesenkt werden. Im Jahr 2050 sollen keine Netto-Emissionen mehr freigesetzt werden. Weiters, so der vielleicht fromme Wunsch, möge das Wirtschaftswachstum von der Ressourcennutzung abgekoppelt werden. Der Übergang, meint die EU-Kommission, müsse „gerecht und inklusiv“ sein.
Zur Erreichung der Ziele werden von der EU-Kommisson zahlreiche Maßnahmen vorgeschlagen, die detailliert am 14. Juli 2021 in einem sogenannten „Fit for 55“-Paket veröffentlicht wurden. Darunter fällt neben der Reform der (Mindest-)Energiepreise innerhalb der EU auch die Ausweitung des Europäischen Emissionshandelssystems (EHS), um klimaschädliches Verhalten in Zukunft weiter zu verteuern und damit nachhaltigere Konsumgewohnheiten zu ‚belohnen‘. Die Einführung einer CO2-Grenzabgabe soll die Verlagerung von Industriebetrieben in Länder mit geringeren Klimaschutzauflagen verhindern („Carbon-Leakage“). 

CO2-Steuern versus Emissionshandel

Eine CO2- oder Karbonsteuer ist eine Umweltsteuer, die Emissionen von CO2 und anderen Treibhausgasen mit einem fixen Preis pro Tonne CO2e (e steht für Äquivalent) belegt. Unsicher ist dabei, in welchem Ausmaß die Emissionen dadurch verringert werden. Im Gegensatz dazu werden die Emissionen beim Emissionshandel auf ein (im Lauf der Zeit zu reduzierendes) Niveau gedeckelt, und der Preis pro Tonne CO2e schwankt, je nach Angebot und Nachfrage. Unternehmen müssen dabei Emissionsrechte in Form von Zertifikaten kaufen, um CO2 produzieren zu dürfen. Derzeit gibt es laut Weltbank-Angaben weltweit 64 Emissionshandels- oder Karbonsteuersysteme. Damit wird aber nur etwa ein Fünftel aller Emissionen bepreist. Die Preise pro Tonne CO2e schwanken beträchtlich, liegen jedoch meist weit unter den von Fachleuten empfohlenen 40 - 80 USD, die nötig wären, um auch nur das 2 Grad-Ziel zu erreichen.