Power Play statt Soft Power? Warum Diplomatie und Entwicklungszusammenarbeit wieder mehr zählen müssen

Von Sybille Straubinger

VIDC Online Magazin Spotlight

Dieser Artikel wurde in der Spotlight-Ausgabe Dezember 2025 veröffentlicht. Wenn Sie den vierteljährlich erscheinenden Spotlight, Einladungen und Dokumentationen erhalten möchten, klicken Sie bitte hier.

Autorin*

Sybille Straubinger ist seit 2018 geschäftsführende Direktorin am VIDC. Sie hat Politikwissenschaft in einer Fächerkombination mit Entwicklungspolitik und Volkswirtschaft an der Universität Wien studiert und ein Masterstudium General Management MBA an der TU Wien/DU Krems absolviert.

Außenministerin Beate Meinl-Reisinger mit einer Delegation der Republik Kongo, © Flickr/BMEIA/Michal Gruber

(3. Dezember 2025) 2025 endet, und mit ihm das fünfte Jahr eines politischen Ausnahmezustands, der längst zum neuen Normal geworden ist. Die Welt ist instabiler, konfliktreicher und unberechenbarer geworden. Die Zahl der Autokratien übersteigt inzwischen jene der Demokratien, Kriege und bewaffnete Konflikte erreichen Höchststände, die internationale regelbasierte Ordnung bröckelt, nationale Interessen werden immer unverblümter verfolgt. Während Staaten rund um den Globus aufrüsten, verliert die Idee der Kooperation an Gewicht. Immer mehr dominiert das Recht des Stärkeren, nicht die Stärke des Rechts. 

Soft Power-Sicherheitspolitik

Sich aus jener Form der Außenpolitik zurückzuziehen, die auf Dialog, Vertrauen und langfristige Stabilität setzt, wäre jedoch ein gefährlicher Fehler. Das gilt auch für die österreichische Entwicklungszusammenarbeit als Teil der Außenpolitik, die oft als moralisches, aber nicht zwingendes Politikfeld betrachtet wird. Das ist ein Missverständnis; tatsächlich ist sie Teil der Sicherheitsarchitektur.
Wer in fragile Staaten investiert – in Bildung, Gesundheit, wirtschaftliche Perspektiven –, baut indirekt auch die eigene Sicherheit aus. Krisenprävention ist günstiger und nachhaltiger als Krisenbewältigung. Woran liegt es, dass dieser Zusammenhang in politischen Debatten aktuell so wenig überzeugt?
Die OECD-Länder haben 2024 nur noch 0,33 Prozent ihres Bruttonationaleinkommens für Entwicklungszusammenarbeit (EZA) ausgegeben – ein Minus von 7,1 Prozent. Begründet wird das, u.a. in Österreich, das im Vergleich zu 2024 im Doppelbudget 2025/2026 fast ein Viertel der Mittel kürzt, mit Budgetzwängen. Dahinter stehen Fragen wie „Was bringt das Österreich?“  und „Wie soll ich das den Wähler*innen erklären? So vielleicht:

Erstens: EZA und humanitäre Hilfe verhindern, dass Krisen eskalieren

Sie stabilisieren Partnerländer, reduzieren Fluchtursachen und schützen so auch Österreich vor den direkten Folgen internationaler Krisen, denn Konflikte, Wetterextreme, Hunger und Ungleichheit wirken längst global. Sie destabilisieren ganze Regionen und treffen am Ende auch Europa: durch Migrationsbewegungen, höhere Sicherheitsausgaben oder unterbrochene Lieferketten. 

Zweitens: Langfristige Investition in Sicherheit und Wohlstand

Jeder in EZA investierte Euro wirkt vor Ort und in Österreich: Er stärkt lokale Wirtschaften, schafft Lebensperspektiven, fördert stabilere Märkte. Langjährige Partnerschaften schaffen Vertrauen, Expertise und Zugang zu neuen Märkten. Faire Handelsbeziehungen und Entwicklungsprojekte eröffnen Chancen für heimische Unternehmen und stärken Österreichs außenpolitisches Profil. Entwicklungszusammenarbeit ist auch aus ökonomischer Sicht kein Luxus, sondern eine strategische Investition in globale Stabilität, Sicherheit und wirtschaftliche Prosperität – auch für Österreich.

Drittens: Internationale Verpflichtungen sichern Glaubwürdigkeit und Einfluss

Österreichs Neutralität und eine aktive Außenpolitik verpflichten zu sichtbarem Engagement auf globaler Ebene. Gerade kleine Staaten wie Österreich profitieren von einer regelbasierten internationalen Ordnung, diese Ordnung muss jedoch auch aktiv unterstützt werden. Die Kandidatur als nicht ständiges Mitglied für den UNO-Sicherheitsrat ist ein wichtiges Zeichen für die Bereitschaft, Verantwortung zu übernehmen. Das Bekenntnis darf jedoch kein Lippenbekenntnis sein und muss sich auch im Budget, also in der in Zahlen gegossenen Politik, widerspiegeln.
Rund 212 Mrd USD flossen 2024 weltweit in die öffentliche Entwicklungszusammenarbeit. Zu Recht kann man fragen, was haben all diese Milliarden gebracht, angesichts all der andauernden und neuen Krisen, des Hungers, der Migration? 
Genauso berechtigt, muss man jedoch auch fragen, was die 2718 Mrd. USD die 2024 in Militärausgaben geflossen sind, gebracht haben. Ist es sinnvoll, 14x so viel in Aufrüstung und Waffen zu investieren wie in Gesundheitsversorgung, humanitäre Hilfe, Lebensperspektiven? Hat dieser neue Rekordwert an Rüstungsausgaben, einen substanziellen Beitrag geleistet, um die zahlreichen Kriege und bewaffneten Konflikte zu beenden oder zumindest zu reduzieren?
Ohne Zweifel steht Österreich wirtschaftlich und sozial vor Herausforderungen. Doch internationale Verpflichtungen sind – auch monetär - kein Luxus, sondern Teil unserer sicherheitspolitischen Lebensversicherung. Die Budgetzahlen, auch im österreichischen Vergleich zwischen Verteidigungs- und Außenministerium, zeigen deutlich: es ist keine Frage des Geldes, es ist eine Frage der Prioritäten.

Die ganze Welt sucht Partner. Österreich könnte einer sein.

Während alte Allianzen brüchig werden, formiert sich eine neue geopolitische Realität. Der Globale Süden tritt selbstbewusster auf, Akteure wie China, die Türkei oder Katar drängen auf die Bühne. Gleichzeitig wächst die Entfremdung gegenüber Europa, besonders in Afrika. 
In dieser Lage hat Österreich seltene Vorteile. Österreich war nie Kolonialmacht, es ist neutral und das außenpolitische Erbe, insbesondere der Kreisky-Ära, wirkt bis heute positiv nach. Es lohnt sich daher, an die Gründungszeit der österreichischen Entwicklungspolitik zu erinnern. In den 1950er- und 60er-Jahren, mitten im Kalten Krieg, setzte Bruno Kreisky konsequent auf internationale Vernetzung und Dialog. Seine Grundidee: Kooperation auf Augenhöhe. Keine Belehrung, keine Bedingungen, sondern Respekt – besonders gegenüber jungen Staaten, die gerade erst ihre Unabhängigkeit erlangten.
Dass dieser Ansatz heute wieder relevant ist, zeigt der wachsende Wunsch vieler Länder nach gleichberechtigten Partnerschaften. Und dass er funktionieren kann, zeigt Österreichs anhaltend gutes Standing im Globalen Süden. Mit der Umbenennung der Entwicklungszusammenarbeit im BMEIA in „International Partnerships Austria“ ist man schon einen symbolischen Schritt in diese Richtung gegangen.
Österreich steht vor einer Wahl: Entweder es reiht sich ein in die wachsende Gruppe jener Staaten, die Soft Power als verzichtbaren Luxus betrachten. Oder es nutzt die einmalige Chance, ein verlässlicher Partner in einer unberechenbaren Welt zu sein.
Entwicklungszusammenarbeit, Diplomatie und regelbasierte Kooperation sind keine Wohltaten. Sie sind strategische Investitionen in eine stabilere, sicherere Zukunft – für andere, aber auch für uns selbst.
In Zeiten wachsender Unsicherheit wäre das der vernünftigere Weg. Und der Weitsichtigere.

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