Während das österreichische Innenministerium plant, die Zusammenarbeit mit der Taliban-Regierung in Afghanistan bei Abschiebungen aus Österreich zu intensivieren, haben der Iran und Pakistan in den vergangenen Monaten bereits Millionen Afghan*innen gewaltsam in das von den Taliban kontrollierte Afghanistan zurückgeschickt - und das vor dem Hintergrund einer sich weiter verschärfenden humanitären, politischen und menschenrechtlichen Krise im Land.
Unter der Herrschaft der Taliban dürfen Frauen und Mädchen keine Ausbildung mehr über die sechste Klasse hinaus absolvieren und sind von öffentlichen Ämtern ausgeschlossen. Rund 23 Millionen Menschen sind inzwischen auf humanitäre Hilfe angewiesen. Die ohnehin dramatische Lage hat sich durch eine Reihe von Naturkatastrophen weiter verschärft, zuletzt durch ein schweres Erdbeben, bei dem mehr als 2.200 Menschen starben und Tausende in den östlichen Provinzen verletzt wurden. Für diesen Artikel habe ich mit Mahshid Mawj gesprochen, einer Frauenrechtsaktivistin und Pädagogin, die 2023 nach Pakistan floh, nachdem sie von den Taliban gefoltert wurde, und im Juli 2025 abgeschoben wurde. Außerdem habe ich Ashur interviewt, einen Familienvater aus der Hazara-Community, der gemeinsam mit seiner Frau und seinen zwei Kindern aus dem Iran nach Afghanistan zurückkehren musste. Ihre Geschichten zeigen die harte Realität, der Rückkehrer*innen in einem Land gegenüberstehen, das viele nicht mehr wiedererkennen.
Arbeitslosigkeit und steigende Mieten

Im Juni, nach drei Tagen des Wartens in Mashhad im Iran, wurden Ashur und seine Familie in einen überfüllten Bus gesetzt, der sie zum afghanischen Grenzübergang Islam Qala brachte. Gemeinsam mit Hunderten anderer Afghan*innen hatten sie nur ihre Abschiebepapiere, ein paar Habseligkeiten – und große Ungewissheit darüber, was sie auf der anderen Seite der Grenze erwarten würden, im Gepäck. Zurück in Kabul kämpft der 36-jährige Ashur darum, seine Familie zu ernähren und die Miete zu bezahlen, während er mit ansehen muss, wie die Chance seiner Tochter im Teenageralter, ihre Ausbildung fortzusetzen, schwindet. Ashur stammt ursprünglich aus dem Bezirk Behsud in der Provinz Maidan Wardak und lebt derzeit mit seinen beiden Kindern und seiner alten Mutter in einer Mietwohnung in Kabul.
Ashur zog 2003 in den Iran und verbrachte dort den größten Teil seines Lebens. Er heiratete eine Afghanin, arbeitete in einem Stahlunternehmen und schickte seine beiden Kinder – einen 16-jährigen Sohn und eine 13-jährige Tochter – trotz bürokratischer Hürden und der Feindseligkeit vieler Iraner*innen gegenüber Afghan*innen zur Schule. Im Jahr 2025 löschte der Iran die Registrierung seiner Familie und gab ihnen nur wenige Wochen Zeit, das Land zu verlassen. Für Ashur und Tausende afghanischer Flüchtlinge im Iran bot das Leben im Iran relative Stabilität, aber niemals Sicherheit. Der Schulbesuch erforderte endlosen Papierkram, und die Iraner*innen betrachteten Afghan*innen oft mit Misstrauen. Trotz eines regelmäßigen Einkommens litt Ashurs Familie unter einem ständigen Gefühl der Unsicherheit.
„Meine Tochter sagt mir immer wieder, dass all die Jahre, die sie in Iran zur Schule gegangen ist, verschwendet seien“, erzählt er. „Als Vater ist es schmerzhaft zu sehen, wie ihre Zukunft zerstört wird, aber ich kann nichts dagegen tun.“ Heute, zurück in Kabul, ist Ashur mit Arbeitslosigkeit und steigenden Mietpreisen konfrontiert. Die Hoffnung auf eine Rückkehr in die Heimat ist der Verzweiflung gewichen. „Für Afghan*innen sind alle Türen verschlossen. Der Iran stellt keine Visa mehr aus. In Pakistan ist es noch schlimmer, und wir haben keine Mittel, um woanders hinzugehen“, fügt er hinzu.
Frauen in Gefahr

Ashurs Ängste um die Zukunft seiner Tochter spiegeln sich in den Erfahrungen von Mahshid Mawj wider, einer 45-jährigen Aktivistin und Pädagogin, die im Juli 2025 aus Pakistan abgeschoben wurde. Während Ashurs Rückkehr den wirtschaftlichen Zusammenbruch und die Schließung von Schulen verdeutlicht, zeigt Mawjs Geschichte die Risiken, denen Frauen ausgesetzt sind, die sich den Taliban widersetzen – und das tiefe Gefühl der Enttäuschung, das viele Rückkehrer*innen nach Jahren des Dienstes für Afghanistan empfinden.
Das Leben der dreifachen Mutter Mawj ist geprägt von Verlust und Exil. Als Teenager wurde sie während der ersten Herrschaft der Taliban zur Heirat gezwungen, wodurch ihre Ausbildung unterbrochen wurde. Mehr als zwei Jahrzehnte später sind ihre Kinder nun mit einer ähnlichen Unterbrechung konfrontiert. Ihre älteste Tochter, die bis 2021 Journalismus studierte, musste ihr Studium aufgeben und nach Frankreich fliehen. Ihr 20-jähriger Sohn lebt nun im Untergrund, nachdem er während ihrer Deportation der pakistanischen Polizei entkommen ist. Ihre fünfjährige Tochter zittert beim Anblick von Männern in Uniform.
„Als die Taliban zurückkehrten, war meine Tochter 21 Jahre alt und studierte Journalismus“, erinnert sie sich. „Jedes Mal, wenn ich sie ansah, litt ich – weil ich wusste, dass sich das gleiche Leid, das ich während der ersten Herrschaft der Taliban erdulden musste, nun für sie wiederholen würde. Die Geschichte wiederholt sich für die afghanischen Frauen.“ Mawj erinnert sich an die Zeit, als die Taliban 1996 erstmals die Macht übernahmen. „Sie haben mir meine Bildung genommen“, erinnert sie sich mit zitternder Stimme. „Und jetzt nehmen sie sie meiner Tochter. Afghanische Frauen verdienen es nicht, auf der Straße zu betteln.“
Verhaftung und Exil

Im Jahr 2023 floh Mahshid Mawj nach Pakistan, nachdem sie von den Taliban verhaftet und geschlagen worden war, weil sie geheime Schulen betrieben hatte, in denen Mädchen Unterricht in anderen Fächern als Religion erhielten. Trotz der Warnungen, nur Religionsunterricht zu erteilen, setzte sie ihre Arbeit fort und versteckte Bücher und Materialien, um ihre Schülerinnen zu schützen. Als die Taliban ihr Haus stürmten, wehrte sie sich und wurde brutal geschlagen. Dabeiwurde ihr ein Zahn ausgeschlagen und sie verletzte sich am Knie, bevor sie wegen ihres schlechten Gesundheitszustands gegen Kaution freikam.
Im Juli 2025 wurde sie mit ihrer fünfjährigen Tochter wieder nach Afghanistan abgeschoben, während ihr 20-jähriger Sohn es geschafft hat, sich der Inhaftierung zu entziehen. Seit ihrer Rückkehr ist Mawj häufig umgezogen, um der Überwachung durch die Taliban zu entgehen. Die Mieten sind unerschwinglich, Arbeitsplätze sind rar und das tägliche Leben wird für Rückkehrer+Innen wie sie immer prekärer. „Ich habe sogar geheime Schulen für Mädchen eröffnet“, sagt sie. „Ich habe sie zu Hause unterrichtet, damit die Taliban nichts mitbekommen. Wir haben alles riskiert, nur damit die Mädchen lernen konnten.“
Finanzielle Unterstützung und persönliche Sicherheit sind nach wie vor ihre größten Sorgen. Sie ist auf gelegentliche Überweisungen von einem Freund in Deutschland angewiesen, sieht dies jedoch nicht als nachhaltige Lösung an. Da sie ständig unterwegs ist, trifft sie Vorkehrungen, um einer Verhaftung durch die Taliban zu entgehen und sich und ihre kleine Tochter zu schützen. „Die Taliban haben mir den Schlüssel genommen – meine Bildung. Aber das ist nicht nur mein Schicksal. Es ist das Schicksal von Millionen afghanischer Frauen.“
Das Überleben nach der Rückkehr
Sowohl der Iran als auch Pakistan haben seit Beginn der Massenflucht nach der sowjetischen Invasion 1979 die meisten afghanischen Flüchtlinge aufgenommen. Seitdem haben beide Länder verschiedene Mudschaheddin-Gruppen unterstützt, um ihre strategischen Interessen zu sichern. Der pakistanische Geheimdienst Inter-Services Intelligence spielte eine entscheidende Rolle bei der Weiterleitung westlicher finanzieller und militärischer Ressourcen an antisowjetische Kämpfer, und in den 1990er Jahren war diese Unterstützung ausschlaggebend für den Aufstieg der Taliban.
Nach Angaben des Flüchtlingshilfswerks der Vereinten Nationen (UNHCR) beherbergen die beiden Länder heute fast sechs Millionen Afghanen. Viele von ihnen, die einst willkommen geheißen wurden, sind nun mit unrechtmäßigen Inhaftierungen, Polizeirazzien, Abschiebungen und Schikanen konfrontiert – eine Realität, die sowohl Ashur als auch Mawj am eigenen Leib erfahren haben. Laut UNHCR mussten allein im Jahr 2025 mehr als 2,5 Millionen Afghanen aus Nachbarländern zurückkehren, fast zwei Millionen aus dem Iran und über eine halbe Million aus Pakistan. Abgeschobene Menschen sind häufig von Inhaftierung und Familientrennung betroffen und haben nur begrenzten und unsicheren Zugang zu Sicherheit, Wohnraum, Arbeit und grundlegenden Dienstleistungen. Mawj selbst wurde während der Abschiebung von ihrem Sohn getrennt, ihre Habseligkeiten wurden von einem Vermieter in der Nähe von Islamabad, der Hauptstadt Pakistans, beschlagnahmt.
In Afghanistan selbst sind die Risiken erheblich. Mawj sagt, dass Mädchen, Frauen und Minderheiten den größten Gefahren ausgesetzt sind. Da es keine funktionierende Rechtsstaatlichkeit gibt, argumentiert sie, können sich die Menschen an niemanden wenden: „Für Frauen und Mädchen gibt es einfach keine Institutionen, die ihnen Unterstützung bieten könnten, sodass sie schutzlos und verwundbar sind.“ Ihre Frustration geht über Afghanistan hinaus. Mawj wirft der internationalen Gemeinschaft vor, durch ihr Engagement die Macht der Taliban zu stärken, während afghanische Frauen zu Armut, Frühehen oder Betteln gezwungen werden.
Unterdessen sorgt sich Ashur um Arbeitslosigkeit und die Ausbildung seiner Kinder: „Wenn meine beiden Kinder eine bessere Zukunft haben, reicht mir das“, sagt er. „Das heutige Afghanistan ist eine Hölle für Frauen und für eine Minderheitenfamilie wie meine. Mein einziger Wunsch ist, dass Mädchen, einschließlich meiner eigenen Tochter, ohne Angst lernen, zur Universität gehen und arbeiten können.“