El-Fashir und die Architektur internationaler Komplizenschaft im Sudan

Von Husam Mahjoub

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Redaktion und deutsche Übersetzung

Michael Fanizadeh, VIDC Global Dialogue

Autor

Husam Mahjoub ist Schriftsteller, Journalist und Telekommunikationsfachmann, dessen Arbeit eine Brücke zwischen Journalismus, Aktivismus und Technologie schlägt. Er ist Mitbegründer des Fernsehsenders Sudan Bukra TV Channel, einer unabhängigen sudanesischen Medienplattform, die sich zu einer prominenten Stimme für soziales und politisches Bewusstsein im Sudan und in der Region entwickelt hat. Neben seiner beruflichen Laufbahn in der Telekommunikations- und IKT-Branche engagiert sich Mahjoub intensiv im öffentlichen Diskurs, indem er zu Themen wie Politik, Menschenrechte und internationale Beziehungen schreibt, forscht und Vorträge hält. Seine Artikel und Analysen sind bekannt für ihre Klarheit und Genauigkeit und vermitteln Kontext und Einblicke in komplexe regionale und globale Entwicklungen. Mahjoub lebt in Austin, Texas, und stützt sich auf seine fundierte akademische und berufliche Ausbildung, darunter Master-Abschlüsse der London Business School und des Georgia Institute of Technology sowie einen Bachelor of Science der UAE University, um die Welten der Technologie, der Medien und des sozialen Wandels miteinander zu verbinden. Durch seine Medieninitiativen und sein öffentliches Engagement trägt Mahjoub weiterhin zu einem breiteren Verständnis der Kräfte bei, die den Sudan und seinen Platz in der heutigen vernetzten Welt prägen.

"Wir werden weder vergeben noch vergessen“ - Revolutionäre Wandmalereien nahe der Nile Street in Khartoum, am 6.11.2019, © Helena Lea Manhartsberger

"Wir werden weder vergeben noch vergessen“ - Revolutionäre Wandmalereien nahe der Nile Street in Khartoum, am 6.11.2019, © Helena Lea Manhartsberger

(17. November 2025) Die Tragödie von El-Fashir, der letzten Hochburg der sudanesischen Armee in Darfur, war nicht unvorhersehbar, sondern unvermeidlich. Von dem Moment an, als die Rapid Support Forces (RSF) im Mai 2024 die Stadt belagerten, war klar, dass ihr Fall mit massiven Gräueltaten einhergehen würde, die an die Schrecken von El-Geneina im Jahr 2023 und die Verbrechen der Janjaweed zwei Jahrzehnte zuvor erinnerten. Seit über sechzehn Monaten existierte eine Resolution des UN-Sicherheitsrats, und humanitäre Organisationen schlugen Alarm. Dennoch folgten keine entschlossenen Maßnahmen.

Der Niedergang des Sudan hat schon lange vor El-Fashir angefangen. Nach drei Jahrzehnten autoritärer Herrschaft unter Omar Al-Bashir stürzte ihn 2019 ein Volksaufstand und weckte Hoffnungen auf Demokratie. Die schwierige Partnerschaft zwischen dem Militär, der paramilitärischen RSF und der Zivilbevölkerung zerbrach jedoch 2021, als die Generäle einen Staatsstreich inszenierten. Zwei Jahre später, im April 2023, implodierte das Bündnis der Generäle und es kam zu einem umfassenden Krieg zwischen den beiden bewaffneten Fraktionen.

Ein vorhersehbares Massaker

Während der Belagerung brannten die RSF Dörfer nieder, erschossen Vertriebene im Lager Zamzam und bombardierten Krankenhäuser und Moscheen. Sie zerstörten Wasserversorgungsanlagen, ließen Zivilist*innen hungern und töteten diejenigen, die zu fliehen versuchten, wobei sie ihre Verbrechen oft als Spektakel des Terrors filmten. Dies waren Aktionen einer Miliz, die seit langem an Straffreiheit und Propaganda gewöhnt war. Die Anführer der RSF hätten sich nicht deutlicher ausdrücken können, als sie wiederholt erklärten, dass diejenigen, die nach ihrem Vormarsch in den Städten bleiben, „keine Zivilist*innen“ seien, und ihre Kämpfer anwiesen, „keine Gefangenen zu machen.“

Und genau das taten sie auch. Nach der Eroberung von El-Fashir startete die RSF eine massenhafte Tötungsaktion, bei der sie von Haus zu Haus gingen und Zivilist*nnen hinrichteten, darunter auch Patient*innen und medizinisches Personal in einem Krankenhaus. Satellitenbilder und Berichte der Vereinten Nationen bestätigen die Brandstiftung in Wohngebieten und die Beseitigung von Leichen in Massengräbern. Zivilist*innen, die zu fliehen versuchten, wurden gejagt, während Tausende ohne Nahrung und Wasser gefangen waren, als die Stadt systematisch entvölkert und zerstört wurde. Die Welt schaute in Echtzeit zu. Die Beweise für Massaker, Satellitenbilder und RSF-Videos sind erdrückend, doch die internationale Gemeinschaft reagiert weiterhin wie gelähmt.

Der bekannte Wegbereiter: Abu Dhabi und Co. schüren Gräueltaten

Die internationale Gemeinschaft, insbesondere die Vereinigten Staaten und das Vereinigte Königreich, sowie die Vereinten Nationen wussten, dass dies kommen würde. Sie kennen auch den wichtigsten externen Unterstützer: die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE), die die Massaker durch sudanesisches Gold finanzieren, das nach Dubai geschmuggelt wird und den Konflikt mit Waffen aus dem Tschad, Libyen und Somalia anheizen sowie durch anhaltende politische und PR-Kampagnen für Rückendeckung sorgen.

Die VAE mussten jedoch keine öffentlichen Konsequenzen befürchten, sondern es gab nur vage Verweise auf ungenannte „regionale Akteure“ und wiederholte Aufrufe zum Dialog. Das ist eine bewusste Komplizenschaft. Washington und London haben die Sudan-Politik effektiv an Abu Dhabi ausgelagert und sind damit selbst zu Wegbereitern geworden. Westliche Regierungen, die weiterhin Waffen verkaufen, Geheimdienstinformationen weitergeben und diplomatischen Schutz für die VAE gewähren, sind keine unbeteiligten Zuschauer in El-Fashir, sondern Teil des Systems, das dies ermöglicht hat.

Die Moral des Scheiterns

Die Untätigkeit der internationalen Gemeinschaft in den Monaten vor der Übernahme von El-Fashir durch die RSF war nicht nur ein politisches Versagen, sondern auch ein moralischer Zusammenbruch der internationalen Ordnung. Als die sudanesischen Streitkräfte im Juni 2025 ihre Zustimmung zu einem Waffenstillstand signalisierten, weigerte sich die RSF, darauf einzugehen, da sie davon überzeugt war, dass ihre Waffenlieferungen aus den Vereinigten Arabischen Emiraten weiterhin ungehindert erfolgen würden und die Konsequenzen nicht über ein weiteres Kommuniqué hinausgehen würden.

Die RSF drängte auf eine Teilung nach libyschem Vorbild durch eine parallele Autorität (Tasees), während die internationale Gemeinschaft Lippenbekenntnisse zur Einheit und Souveränität des Sudan abgab. Die westlichen Hauptstädte setzten die Armee und die Milizen weiterhin als austauschbare „Konfliktparteien“ gleich, eine falsche Symmetrie, die die systematischen Gräueltaten der RSF und das Urteil der Zivilist*innen, die vor ihrem Vormarsch fliehen, ignoriert. Dies entbindet die reguläre Armee nicht von der Verantwortung für ihre Verbrechen, aber es zeigt einen Unterschied auf, der für jede Strategie, die den Schutz der Menschen zum Ziel hat, von Bedeutung ist.

Die diplomatische Farce

Als sich die humanitäre Lage verschlechterte, wurde ein Fahrplan der Quad-Staaten (USA, Saudi-Arabien, Vereinigte Arabische Emirate, Ägypten) veröffentlicht. Auf dem Papier bietet er eine humanitäre Waffenruhe und einen Übergang. In Wirklichkeit folgt er der gescheiterten Logik, die Vereinigten Arabischen Emirate, eine direkte Kriegspartei und Hauptsponsor der RSF, in den Mittelpunkt der Vermittlung zu stellen. Der Sitz für die VAE ist kein Ausdruck von „Pragmatismus“, sondern ein struktureller Interessenkonflikt, der die Rolle eines Kriegführenden schönredet.

Der Fahrplan schreibt Zeitpläne ohne Instrumente und einen Übergang vor, der nicht von den Konfliktparteien kontrolliert wird, aber dennoch von Waffenstillständen abhängt, die unter ihrer Kontrolle stehen. Noch kritischer ist, dass er die Erfahrungen aus früheren Waffenstillstandsbemühungen ignoriert, die scheiterten, weil es an Durchsetzung, Überwachung und Konsequenzen für Verstöße mangelte. Dieses Muster, das durch Machtteilung mit den Tätern und die Ausgrenzung der Zivilbevölkerung gekennzeichnet ist, hat dazu geführt, dass drei Jahrzehnte Friedensbemühungen im Sudan zu Waffenstillständen ohne Gerechtigkeit, Friedensabkommen ohne Frieden und Transitionen ohne Demokratie geführt haben.

Die Wahl der Mittäterschaft

Im Grunde genommen fehlt der internationalen Gemeinschaft die moralische Autorität, Frieden zu erzwingen, da sie sich ihrer Verantwortung entzogen hat. Die VAE gelten als ein zu wertvoller Partner, sei es aufgrund ihrer wirtschaftlichen Interessen oder ihrer Allianz mit Israel, als dass man es riskieren könnte, sie zu verprellen. Westliche Politiker mildern ihre seltenen Äußerungen zu den VAE oft ab, indem sie andere Akteure wie Ägypten, die Türkei und den Iran anführen, obwohl keiner von ihnen das Ausmaß des Engagements Abu Dhabis erreicht. Die Vereinigten Staaten und das Vereinigte Königreich haben durch ihre fortgesetzte diplomatische Unterstützung der VAE und die Vermeidung von Sanktionen dazu beigetragen, ein Umfeld zu schaffen, das El-Fashir ermöglicht hat. Durch ihr selektives Schweigen und den Schutz eines Sponsors des Krieges machen sie sich mitschuldig an den Gräueltaten, die sie zu verurteilen vorgeben.

Selbst die wiederholten Appelle der internationalen Gemeinschaft zur „Einbeziehung der Zivilbevölkerung“ sind nicht glaubwürdig, da dieselben Vermittler*innen sorgfältig auswählen, welche „Zivilist*innen“ teilnehmen dürfen, wobei sie immer wieder dieselben Persönlichkeiten der Elite einbeziehen und gleichzeitig die Widerstandskomitees und Basisnetzwerke ausschließen, die das Überleben der Menschen gesichert haben. Das Ergebnis ist eine Inszenierung von Mitgefühl, die die politische Ökonomie des Krieges unberührt lässt.

Ein schmaler Grat: Von der Mittäterschaft zum Handeln

Es gibt jedoch einen schmalen, aber realistischen Weg. Er beginnt nicht mit einem neuen Prozess, sondern damit, die wenigen Dinge zu tun, die das internationale System tun kann.

  1. Finanzielle Unterstützung für diejenigen, die den Sudan am Leben erhalten. Ressourcen sollten direkt an sudanesische zivile Netzwerke weitergeleitet werden, wie z. B. Widerstandskomitees, Notfallzentren und medizinische und Lebensmittelversorgungsketten, die außerhalb der beiden bewaffneten Lager operieren, anstatt alles über Zwischenhändler zu leiten.
  2. Benennung der Kriegsparteien. Die VAE sollten als Kriegspartei behandelt werden, und westliche Regierungen sollten dafür zur Rechenschaft gezogen werden, dass sie durch ihr Schweigen und ihre selektive Diplomatie die Rolle der VAE ermöglichen. Dazu gehören Sanktionen gegen Personen, Organisationen und Routen, die an Waffen- und Logistiklieferungen an die RSF beteiligt sind, sowie die Überprüfung des aus dem Sudan geschmuggelten Goldes in Dubai.
  3. Einrichtung echter Mechanismen zur Rechenschaftspflicht. Alle künftigen Vereinbarungen müssen eine unabhängige Überwachung, Durchsetzungsmaßnahmen und klare Konsequenzen bei Verstößen vorsehen, um sicherzustellen, dass der Schutz der Zivilbevölkerung Realität wird und nicht nur ein Versprechen bleibt.

Was die von den vier Quad-Staaten vorgeschlagene humanitäre Waffenruhe angeht, so kann keine Waffenruhe glaubwürdig sein, solange die RSF weiterhin aufrüstet. Jeder Waffenstillstand muss klare Verbote und eine durchsetzbare Überwachung beinhalten, sonst ermöglicht er nur eine Neugruppierung. Die Rolle der internationalen Gemeinschaft besteht nicht darin, einen weiteren leeren Prozess zu inszenieren, sondern nur zwei Dinge zu tun, die in ihrer Macht stehen: Druck auf die VAE auszuüben, damit sie die Bewaffnung der RSF einstellen, und die humanitäre Hilfe zu finanzieren, die Menschen am Leben hält.

Wie Menschen etwas bewegen können

Die Regierungen haben versagt, aber die Menschen sind nicht machtlos. Bürger, Aktivisten und Diaspora-Gemeinschaften können handeln, indem sie Druck auf ihre Vertreter ausüben, damit diese die VAE benennen und sanktionieren und westliche Regierungen zur Rechenschaft ziehen. Sie können die Goldrouten und Finanznetzwerke aufdecken, die Gräueltaten finanzieren, sudanesische Basisgruppen direkt unterstützen, Solidarität zwischen verschiedenen Anliegen aufbauen, vom Sudan über Palästina bis zum Kongo, und sich gegen Desinformation und Schweigen aussprechen. Die Gerechtigkeit wird nicht durch Diplomatie erreicht werden, sondern durch das öffentliche Gewissen und kollektives Handeln. Schweigen ermöglicht Komplizenschaft; normale Menschen können es durchbrechen.
 

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