(16. September 2025) Anfang Juli 2025 fand die 4. Internationale Entwicklungsfinanzierungskonferenz (Financing for Development, FfD4) in Sevilla, Spanien, statt. Von Steuer- und Budgetpolitik zum Handel, von Privatsektor-Investments zu Verschuldung, von öffentlicher Entwicklungszusammenarbeit und systemischen Fragen bis hin zu Forschung und Technologie spannte sich eine äußerst breite Debatte.
FfD4 war mit über 16.000 Teilnehmer*innen, davon über 1.000 NGO-Vertreter*innen, und 50 Staats- und Regierungschef*innen eine der größten Konferenzen des Jahres. Es schien, als ob Regierungen wie Stakeholder angesichts der zunehmenden globalen Spaltungen und geopolitischen Konflikte zeigen wollten, dass multilaterales Handeln noch nicht ausgedient hat. Denn zu verhandeln gab es im Unterschied zur letzten Entwicklungsfinanzierungskonferenz in Addis Abeba (FfD3) im Jahr 2015 nichts mehr. Das Abschlussdokument, “Compromiso de Sevilla” oder “Sevilla Commitment” stand bereits Mitte Mai fest. Dies wurde nach dem Ausstieg der USA möglich, die davor nicht nur jeden Verweis auf Genderpolitik aus dem Dokument gestrichen haben wollten, sondern die Sustainable Development Goals (SDGs) gleich mit.

Über 400 gut besuchte Side Events, Veranstaltungen des Business Forums, tägliche Vorstellungen von Initiativen der Sevilla Platform for Action, eine SDG Investment Fair, dazu die Plenar- und Round Table-Debatten sorgten für ein äußerst dichtes Programm. Bereits vor dem Start der Konferenz fanden das Civil Society Forum und das Feminist Forum statt.
„Sevilla Compromiso“: ein lauer Kompromiss
Auch wenn das spanische Wort „compromiso“ mit Verpflichtung zu übersetzen ist: Der „Compromiso de Sevilla“ ist, gemessen am Anspruch und den Herausforderungen der gegenwärtigen Krisen, ein wenig mutiges Kompromissdokument geworden. Eigentlich sollten Lösungen zum Stopfen des enormen jährlichen 4 Billionen USD-Finanzierungslochs der SDGs präsentiert werden. Klare Finanzierungszusagen fehlen jedoch ebenso wie umfassendere und tiefere Reformen des globalen Finanzsystems.
Eines Finanzsystems, über das künftig in der UNO diskutiert und entschieden werden sollte, so die zentrale Forderung der Zivilgesellschaft wie auch vieler afrikanischer Staaten, statt sie Institutionen zu überlassen, die nach wie vor von reichen, zumeist westlichen Ländern dominiert werden.
Die damit verbundene Forderung einer UN-Konvention zur internationalen Entwicklungszusammenarbeit fand jedoch keine Zustimmung, obwohl die EZA-Mittel (ODA) alleine im Jahr 2024 um mehr als 7% gesunken waren. Ein Trend, der sich durch die Kürzung vieler EZA-Budgets (auch in Österreich) und durch die Schließung von USAID Anfang Juli 2025 fortsetzen wird. Ebenso wurde ein multilaterales Instrument zur Schulden-Restrukturierung abgelehnt. Dabei erreichen die Schuldenrückzahlungen des Globalen Südens laut Weltbank mit 1,4 Billionen USD im Jahr 2023 den historischen Höchststand und belasten die staatlichen Budgets schwer.

Der Privatsektor soll es (wieder einmal) richten
Der Privatsektor wurde v.a. von den Regierungen im Globalen Norden erneut heftig umworben, was alleine daran zu erkennen war, dass das Business Forum innerhalb des Konferenzgeländes abgehalten werden konnte. Verpflichtungen zur Mobilisierung von privatem Kapital ziehen sich durch das gesamte Abschlussdokument. Ob sich die Hoffnungen erfüllen, ist fraglich. Denn schon bisher gab es keine Steigerung „von Milliarden zu Billionen“ („from billions to trillions“), dem zehn Jahre alten Motto der FfD3. Im Gegenteil: Gemäß einem Artikel der Financial Times flossen bisher nur 10% der ohnehin niedrigen Privatinvestitionen für Infrastrukturprojekte im Globalen Süden in die ärmsten Länder. Und der Hebel der Entwicklungsbanken betrug gerade einmal 1:1 – für jeden Euro an öffentlichem Geld gab es mit Ach und Krach also noch einen privaten obendrauf. Kein Wunder also, dass solche Ansagen von Weltbank-Chefökonom Indermit Gill als „Fantasie“ und von Philippe Valahu von der Private Infrastructure Development Group als „gutgemeint, aber dumm“ bezeichnet werden.
NGOs: der politische Spielraum schrumpft
Am Civil Society Forum, einer zweitägigen Vorkonferenz, zeigten viele Wortmeldungen von feministischen, Menschenrechts- und Umweltorganisationen anschaulich, wie negativ sich das derzeitige Finanzsystem auf viele Menschen, insbesondere auf Frauen und Mädchen sowie marginalisierte Gruppen, auswirken kann. Friedensorganisationen bemängelten überdies, dass die finanziellen Auswirkungen der massiven militärischen Aufrüstung kein Thema im FfD-Prozess waren.

Missstände aufzuzeigen und Alternativen zu präsentieren wird eine wichtige Aufgabe der Zivilgesellschaft bleiben. Doch deren Handlungsspielraum wird weltweit immer enger. Das sah man sogar in Sevilla. Am letzten Konferenztag demonstrierten Vertreter*innen der Zivilgesellschaft lautstark nicht nur für die Umsetzung ihrer Forderungen, sondern auch gegen ihre geringe Sichtbarkeit und Teilhabe an der Konferenz: Schwierigkeiten bei der Erlangung von Akkreditierungen, Einschränkungen (bis hin zum Verbot von Aufklebern auf Laptops) und anfänglich sogar der Ausschluss aus Round Tables und der Plenarsitzung –
ungewöhnliche Vorgänge für die UN.
Ein demokratischeres und gerechteres Steuersystem – mit österreichischer Unterstützung?
Hoffnung bietet ausgerechnet der Steuerbereich, bei der letzten FfD noch ein Grund für das Fast-Scheitern der Konferenz. Denn durch die starke Initiative afrikanischer Länder begannen 2025 endlich konkrete Verhandlungen über ein UN-Steuerrahmenabkommen. Damit könnte eine langjährige Forderung der G77 wie der Zivilgesellschaft endlich Realität werden. Und auch im Compromiso haben sich die Staaten auf wichtige Ziele geeinigt, wie die Förderung von progressiven, gendersensiblen, ökologischeren Steuersystemen sowie eine effektive Besteuerung von (Super-)Reichen. Die „Sevilla Declaration“ der Addis Tax Initiative forderte Geber auf, dieser beizutreten und Partnerländern und -regionen bei der Mobilisierung von eigenen Ressourcen zu unterstützen. Dies könnte auch für Österreich eine Möglichkeit der Unterstützung sein, denn „vor dem Hintergrund der zunehmenden Verschuldung vieler armer Länder, (ist es) umso wichtiger, die nationale Ressourcenmobilisierung auszubauen. Dazu gehört, allem voran, der Aufbau von fairen und transparenten Steuersystemen und der Kampf gegen illegale Finanzflüsse und Korruption.“ (Dreijahresprogramm der österreichischen Entwicklungspolitik, 2025 bis 2027, S. 28).
Die FfD4 hatte mit einem äußerst schwierigen Umfeld zu kämpfen. Für den Multilateralismus einzutreten und Flagge zu zeigen, war sicherlich ein wichtiges Zeichen. Es sollte aber kein hohler Multilateralismus sein. Europa, das in und vor Sevilla vor allem versucht hat, am Status Quo festzuhalten, sollte sich für ein gerechteres Finanzsystem stark machen. Der Erfolg einiger der 130 in Sevilla präsentierten Initiativen, wie die „Coalition to Build Support for Global Public Investment“, „Financing for Gender Equality“ und „Social Protection“ oder die von Österreich unterstützte „Beyond GDP Global Alliance“, könnten dafür ein Gradmesser sein.
Als Zivilgesellschaft sollten wir wachsam bleiben und gleichzeitig nicht die Zuversicht verlieren. Denn wer von uns, die wir auf der FfD3 für einen „UN Tax Body“ demonstriert haben und von vielen belächelt wurden, hätte sich gedacht, dass wir 2027 vielleicht schon eine fertig verhandelte UN-Steuerkonvention haben werden?